Kaum ein Berufsbild ist so umstritten und genießt so einen durchwachsenen Ruf, wie die Politik. Dabei ist politische Arbeit beginnend ab der kommunalen Eben in den Gemeinden, über Landkreise, die Länderparlamente bis hin zum Bundestag essenziell. Auf jeder dieser Ebenen werden Entscheidungen getroffen, die die Menschen direkt betreffen. Leider werden diese Entscheidungen oft nicht von Menschen getroffen, die direkt betroffen sind. Die Zusammensetzung der Gemeinderäte, der Stadträte und auch des Bundestags entspricht nicht annähernd dem Querschnitt der Bevölkerung. Daher muss man ernsthaft die Frage stellen: Können Entscheidungen besser werden, wenn mehr Eltern in der Politik sind? Wir meinen ja! Und damit sind wir beim nächsten Problem. Politische Arbeit, ob ehrenamtlich oder hauptamtlich ist für Eltern – speziell Mütter – quasi nicht leistbar, ohne familiär große Abstriche zu machen. Auch mit dem Selbstbild eines modernen Vaters ist politische Arbeit, vor allem die Arbeitszeiten und der Arbeitsumfang eigentlich nicht leistbar.
Initiative: Eltern in der Politik (Bundestag)
Einen ganz praktischen Versuch, auf das Problem aufmerksam zu machen, machte ein Netzwerk von Abgeordneten aller politischen Parteien des Bundestags mit kleinen Kindern – vornehmlich weibliche Abgeordnete. Sie gaben offen an, dass sie als Abgeordnete sicherlich auch Vorteile genossen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, dass sie gut verdienen und gewisse Termine frei einteilen. Die Arbeitslast, die festen Plenumstermine und Reisetätigkeit sind natürlich große Hürden, sich überhaupt für diese Arbeit zu begeistern.
Was machte die Initiative „Eltern in der Politik“?
Sie sprach vor allem für Eltern, die sich politisch auf Bundesebene engagieren und setzte sich für bessere Kinderbetreuungsangebote ein. Die Gruppe hat ein starkes Netzwerk von Abgeordneten gegründet, die die jeweiligen Bedenken teilen und manchmal auch ihre Position nutzen können, um die Probleme von Eltern aufmerksam zu machen. Um sicherzustellen, dass das Netzwerk üer Geschehnisse im Parlament auf dem Laufenden war, gab es regelmäßige Treffen mit Abgeordneten, um die Probleme zu erörtern, die Eltern mit kleinen Kindern betreffen.
Wer waren die Abgeordneten?
Es handelte sich um eine interfraktionelle Gruppe von Abgeordneten aller politischen Parteien mit kleinen Kindern. Manchmal führen die Privilegien der Abgeordneten jedoch sogar dazu, dass deren Bedürfnisse als Eltern übersehen wurden. Das ist natürlich besonders kontraproduktiv. Bekannteste Mitglieder der Gruppe waren Dr. Franziska Brantner (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Katja Kipping (Fraktion Die Linke), Lisa Paus (Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Susann Rüthrich (Fraktion SPD), Dagmar Schmidt (Fraktion SPD) und Dr. Kristina Schröder (Fraktion CDU/CSU).
Was waren ihre Forderungen?
Zentrale Forderungen der Gruppe waren ein sogenannter „politikfreier“ Sonntag, familienfreundliche Veranstaltungen, eine effiziente Sitzungsleitung, flexible Arbeitszeiten und fairer Wettbewerb. Alles eigentlich ganz legitime Forderungen von Eltern. Damit einher ging auch die Selbstverpflichtung, selber mit den eigenen Büromitarbeiterinnern und -mitarbeitern familienfreundlich zu arbeiten. Das bedeutet, ebenfalls am Sonntag keine Termine zu machen, selber nur Veranstaltungen zu machen, auf denen Kinder willkommen sind und Eltern gleichberechtigt zu behandeln.
Familienfreundliche Kommunalpolitik
Aber auch wenn in der Bundespolitik Familienfreundlichkeit immer mehr eine Rolle spielt, sieht es im Ehrenamt oft anders aus. Aber diese politischen Entscheidungen in Gemeinderäten, Stadträten, Stadtverordnetenversammlungen und Landkreis-Gremien betreffen viele Menschen direkt vor Ort. Soziodemografisch bestehen diese Gremien meist überproportional aus Männern und haben einen Altersschnitt um die 60 Jahre. Das ist natürlich nicht annähernd ein Querschnitt der Gesellschaft. Genau aus diesem Grund werden in solchen Gremien oft Entscheidungen getroffen, die nicht alle Menschen – vor allem Familien oder Eltern – zufriedenstellen. Es liegt sicher nicht daran, dass sich Eltern generell nicht politisch engagieren wollen. Es ist nur mit dem Alltag als Eltern und als Berufstätige oft nicht vereinbar. Gremiensitzungen bis mitten in die Nacht sind nicht familienfreundlich. Moderne Technologien, Digitalisierung, etc., die vieles erleichtern können, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Auch hauptamtliche Kommunalpolitik ist immer mit familiären Abstrichen verbunden. Welche Mutter mit Kindergartenkindern kann überhaupt praktisch Bürgermeistern werden, ohne ihre Familie zu vernachlässigen? Welcher Vater, der sich sowohl an Betreuung und Erziehung seiner Kinder beteiligen möchte, kann einen 60-Stunden-Job als Bürgermeister machen? Faktisch klappt das nicht und deswegen sind Eltern und junge Familien in der Politik unterrepräsentiert. Es ist ernsthaft an der Zeit, das zu ändern!